Warum ich Change Management nicht mag

Ich mag Change Management nicht. „Moment mal – bist du nicht Changeberaterin? Ich dachte du machst Change Management?“ Ja, ich berate Führungskräfte in Veränderungssituationen und begleite sie und ihre Teams durch Veränderungen. Und genau deshalb mag ich den Begriff Change Management nicht. Weil er irreführend ist und falsche Assoziationen und Erwartungen weckt. Und weil ich in der Praxis oft erlebe, dass diese Erwartungen der Sache – Veränderungen gut zu gestalten – leider nicht helfen.

Es war Unsympathie beim ersten Hören


Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wann ich das Wort „Change Management“ zum ersten mal gehört habe: das war während meines Studiums – und ist mittlerweile fast 30 Jahre her. (Ooops!)

Ich habe damals europäische BWL in Reims und Reutlingen studiert und ich war grade zum Praxissemester in Brüssel. Mein Kommilitone Rolf hatte das Wort Change Management ins Spiel gebracht, weil er seine Diplomarbeit darüber schreiben wollte. Er sog sämtliche neue Themen aus der Managementwelt auf wie ein Schwamm und bei ihm lagen immer stapelweise irgendwelche englischsprachigen Fachbücher rum.

Ich – damals schon Buzzword-Hasserin – dachte mir nur: „Was ist das denn jetzt wieder für ein new hot bullshit aus den USA?“ Ich hatte den Begriff Change Management noch nie gehört. Und ich konnte mir auch nix drunter vorstellen. Für mich klang es einfach nur abgehoben. Und wahrscheinlich hab ich damals schon im Unterbewusstsein entschieden, diesen Begriff nicht zu mögen.

Spulen wir 30 Jahre vor: heute weiß ich sehr wohl, was Change Management bedeutet. Ich habe als Betroffene in Unternehmen selbst erlebt, wie sich Veränderung mit und ohne Change Management anfühlt. Ich habe eine Ausbildung zur systemischen Beraterin für Changeprozesse absolviert. Und als Change Managerin in Unternehmen und als externe Beraterin habe ich in den letzten Jahren viele Veränderungsprozesse in Unternehmen begleitet.  

Und dennoch sage ich: Ich mag Change Management nicht! Ich mag den Begriff noch genauso wenig wie vor 30 Jahren – obwohl er mir heute sehr viel flüssiger von den Lippen geht.

Ich mag Change Management nicht, weil der Begriff falsche Assoziationen und Erwartungen weckt. Und damit der Sache – Veränderungen gut zu gestalten – oft nicht hilft.

Hier sind 3 Gründe, warum ich Change Management nicht mag:

Grund #1: Es geht nicht darum, den Change zu managen. Es geht darum, dass die Menschen die Veränderung bewältigen können


Change Management – das hört sich nach handfester Arbeit an. Nach klar definierten Zielen, Maßnahmen und Plänen. Die abgearbeitet werden können und die man monitoren kann. Und ja – es ist wichtig, dass es in Changeprojekten einen Plan gibt. Und klare Ziele und Maßnahmen. Und die müssen auch koordiniert, umgesetzt und nachgehalten werden.

Aber: hinter Veränderungen in Unternehmen stehen letztlich immer Menschen, die diese Veränderungen bewältigen (müssen). Das macht jeden Change für die Betroffenen zu einem sehr persönlichen und oft auch emotionalen Thema.

Emotionen lassen sich schlecht managen. Noch dazu die, von anderen Leuten.


Emotionen lassen sich nun mal schlecht managen. Vor allem die von anderen Leuten. Ich erlebe in Veränderungsprozessen immer wieder Führungskräfte, die sehr stark an diesem Management Gedanken kleben: sie schauen auf den Fortschritt und sind enttäuscht, wenn es mit der Veränderung nicht so schnell vorangeht, wie sie sich das vorstellen. Und als Antwort kommen dann oft noch mehr Maßnahmen. Oder mehr Druck. Oder Appelle, dass sich alle doch ein bisschen mehr ins Zeug legen sollen.

Dabei wäre es viel wirksamer, den Blick mal auf das zu richten, was dem gewünschten Fortschritt aktuell im Weg steht. Und ein erster guter Schritt dazu ist, einfach mal das Gespräch zu suchen – um ernsthaft verstehen zu wollen, wie es bei den Betroffenen gerade aussieht. Wie es ihnen geht, was aus ihrer Sicht gut oder weniger gut läuft und was für sie gerade hilfreich wäre, um die Veränderung besser bewältigen zu können.   

Ich erlebe leider immer noch oft, dass die menschliche Komponente bei Veränderungen in Unternehmen viel zu wenig beachtet und bearbeitet wird. Da fallen dann so Kommentare wie „die sollen sich mal nicht so anstellen“ oder „soo schlimm isses ja nun auch nicht mit der Veränderung“. Und auf der Seite der Betroffenen sorgt das für haufenweise frustrierte, demotivierte, verunsicherte und schlimmstenfalls sogar traumatisierte Mitarbeitende.

Der Begriff Change Management suggeriert, dass es diese menschliche Komponente gar nicht gibt, oder dass man diese „Befindlichkeiten“ einfach wegmanagen kann. Kann man aber nicht. Wer es trotzdem versucht, der wird feststellen, dass das eine immense Unproduktivität der Belegschaft nach sich zieht – mit der man für sehr lange Zeit zu tun haben wird.

Grund #2: „Der Change Manager macht das mit dem Change Management.“ Nein – macht er nicht. Das ist Führungsaufgabe!


In Veränderungsprozessen ist es immer eine gute Idee, wenn eine Führungskraft eine erfahrene Changemanager*in oder Changeberater*in an der Seite hat. Die stellen die richtigen Fragen zur richtigen Zeit. Die sorgen dafür, dass alle Stakeholder und Eventualitäten mitgedacht werden. Sie planen die Vorgehensweise, erarbeiten gemeinsam mit der Führungskraft eine überzeugende Change Story, bereiten die Führungskraft bestmöglich auf den Prozess vor und begleiten die Maßnahmen auf dem Weg. Aber: Veränderung ist trotzdem Führungsaufgabe. Den „Change“ kann man nicht wegdelegieren und vom Change Manager managen lassen.

„Leadership is a conversation“ lautet der Titel eines sehr lesenswerten Artikels in der Harvard Business Review. Erfolgreicher Change ist auch eine riesengroße Konversation. Tagtäglich. Und zwar vor allem abseits der „offiziellen“ Kommunikationsformate, die es in Veränderungsprozessen gibt. Der Erfolg von Veränderungen hängt maßgeblich davon ab, wie gut es der Führungskraft gelingt, die Mitarbeitenden fürs „mitgehen“ zu gewinnen:

Wie offen und transparent kommuniziert sie? Wie überzeugend lebt sie selbst im Alltag das für die Veränderung notwendige Verhalten vor? Inwiefern ermutigt sie durch ihr tägliches Handeln die Mitarbeitenden dazu, sich auf die Veränderung einzulassen? Wie glaubwürdig und authentisch zeigt sie sich?

Das sind alles Führungsaufgaben, die kein Changemanager oder Changeberater der Führungskraft abnehmen kann.     

Grund #3: In einer Welt in der sich alles ständig wandelt hilft managen nicht – es braucht eine Haltung


Wir leben in einer VUKA Welt (Volatil, Ungewiss, Komplex, Ambiguität), in der Veränderung die Norm ist, statt die Ausnahme. Klassische Managementmethoden überholen sich in diesem unsicheren und volatilen Umfeld oft selbst. Veränderte Rahmenbedingungen können Ziele und Maßnahmen ruckzuck obsolet machen.

Unter diesen Vorzeichen geht es immer weniger darum, Change zu managen. Sondern eher darum, eine Haltung der Anpassungsfähigkeit zu entwickeln. Wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden mit den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen gut klar kommen? Wie können sie dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden angesichts von Veränderungen nicht in die Schreckstarre verfallen, sondern, handlungsfähig bleiben? Wie können sie Mitarbeitenden die Zuversicht vermitteln, dass sie in der Lage sind, die Veränderung zu bewältigen?

Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, sich als Führungskraft authentisch und auch verletzlich zu zeigen. Das schafft Vertrauen. In einer VUKA Welt gibt es nicht die eine richtige Lösung. Auch Führungskräfte dürfen zweifeln und zugeben, dass sie sich nicht hundertprozentig sicher sind, ob ihre getroffene Entscheidung in dieser komplexen Situation die richtige ist. Aber dass sie nach sorgsamer Abwägung diese Lösung im Moment für die bestmögliche halten.

Um Veränderungen in diesem Umfeld zu meistern brauchen Mitarbeitende vor allem Vertrauen. Und das Gefühl, gemeinsam mit dem Führungsteam in einem Boot zu sitzen. Sie brauchen die Gewissheit, dass sie die notwendige Unterstützung bekommen und dass auch Platz ist für all die Emotionen, die in Veränderungsprozessen zwangsläufig auftauchen. Und es braucht einen offenen und ehrlichen Dialog – damit alle wissen, woran sie sind und Stolpersteine möglichst schnell aus dem Weg geräumt werden können.


Falls du gerade überlegst, wie du dein Team (besser) durch Veränderungen begleiten kannst – dann lass uns reden.

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