Was schafft Vertrauen? Das ist die Frage, die ich in meiner aktuellen Blogparade stelle.
Die Frage kann man auf zwei Arten verstehen: Wodurch entsteht Vertrauen? Und was kann Vertrauen bewirken?
Meine steile These: Vertrauen schafft Produktivität. Und zwar mehr als viele andere Instrumente.
Vertrauen ist vielleicht nicht die erste Assoziation, die Manager*innen zum Thema Produktivität im Kopf haben. Aber zu Unrecht, wie ich finde. Mit diesem Blogartikel möchte ich das gerne ändern.
Vertrauen ist für mich ein bisschen wie die Luft zum Atmen – oder sauberes Trinkwasser. Oder Strom, der aus der Steckdose kommt: alles Dinge, die irgendwie selbstverständlich sind.
Ich mache mir im Alltag ehrlicherweise selten Gedanken darüber, was für ein Privileg das ist, und welche Voraussetzungen dafür nötig sind.
Erst wenn plötzlich mal der Strom ausfällt oder irgendwo im Urlaub nur braune, übelriechende Plörre aus dem Wasserhahn kommt, wird mir bewusst, was für einen großen Einfluss diese vermeintlich normalen Dinge auf mein tägliches Leben haben. Und was dann auf einmal alles nicht mehr möglich, einfach und unkompliziert wäre.
Genauso ist es auch mit Vertrauen – vor allem bei der Arbeit. Wenn es da ist, dann fällt es meistens gar nicht auf.
Es prahlt nicht rum. Es stellt sich nicht in den Vordergrund. Es ist nicht auffällig. Es ist eher der Schmierstoff, der dafür sorgt, dass alle Rädchen gut ineinander greifen und alles läuft, „wie geschmiert“.
Erst wenn es plötzlich fehlt, dann macht es sich bemerkbar: plötzlich kommt etwas zum Stocken. Auf einmal wird es zäh, anstrengend und kompliziert. Auf einmal macht alles keinen Spaß mehr.
Das kann erstaunlich schnell gehen. Da reicht schon ein Vorgesetztenwechsel. Oder schlechte Umsatzzahlen.
Aber selbst dann ist der erste Gedanken meist nicht: „Oh – uns ist das Vertrauen abhanden gekommen. Lass uns mal schauen, woran das liegt, und wie wir es wieder herstellen können“.
Viel eher erlebe ich das hier: wenn im Arbeitskontext plötzlich der Wurm drin ist, dann wird erst mal an sachlichen Themen rumgedoktert. An Prozessen, Zuständigkeiten und Regeln. Ich habe überhaupt nichts gegen Prozesse und Regeln – ganz im Gegenteil: das sind alles wichtige Dinge, die geklärt sein sollten.
Aber wenn das Vertrauen fehlt, dann lösen auch bessere Prozesse und Regeln die Probleme nicht.
Vertrauen wird im Arbeitsalltag oft als softes „nice-to-have“ Thema gesehen und führt deshalb ein Schattendasein. Weil es sich eben nicht so gut messen und schon gar nicht besprechen lässt. (Wobei das ein Mythos ist: mit der Vertrauensformel lässt sich Vertrauen recht gut bemessen, besprechen und entwickeln).
Über Prozesse und handfeste Kennzahlen zu diskutieren, fällt vielen deutlich leichter. Dabei wird die Wirkung von Vertrauen total unterschätzt: für mich ist es einer der stärksten Produktivitätshebel.
Warum? Weil Vertrauen auf die leise und unauffällige Weise so Vieles bewirkt:
Vertrauen macht schnell
Wie ist das bei euch im Team oder Unternehmen: wie viele Abstimmungsrunden sind notwendig, um eine Entscheidung zu treffen? Wie viele Leute braucht es, um etwas Neues anzustoßen?
Wenn Vertrauen fehlt, dann sind Entscheidungs- und Abstimmungswege lang. Jeder sichert sich ab. Und viele wollen mitreden – damit auch alles richtig läuft.
In Teams, die sich gegenseitig vertrauen, funktioniert das anders. Da reicht oft ein kurzes „Mach du das, ich vertrau drauf, dass du das Beste draus machst“.
Das spart Zeit, Aufwand und Nerven. Denn mal ehrlich: um wie viel besser wird eine Entscheidung, wenn mehr Leute mitreden? Eine zweite Meinung schadet bestimmt nicht – aber welchen Mehrwert bringt die vierte oder fünfte?
Ich würde mal behaupten, dass der Mehrwert begrenzt ist und die damit vertane Zeit sehr viel mehr Geld kostet.
Vertrauen macht schneller, weil es soziale Komplexität reduziert.
Vertrauen macht mutig
Wenn ich weiß, dass meine Führungskraft mir vertraut und mir etwas zutraut, kann ich mutiger handeln. Wenn ich weiß, dass ich von meinen Kolleg*innen keine dummen Sprüche oder Vorwürfe zu befürchten habe, wenn ich einen Fehler mache, dann übernehme ich auch mal eine Aufgabe, vor der ich eigentlich gehörigen Respekt habe.
Vertrauen macht mutig – weil ich darauf vertrauen kann, dass es ein Sicherheitsnetz gibt.
Wer mutig ist, kann schneller sein als andere. Mutige Teammitglieder nutzen Chancen und übernehmen Verantwortung. Und wer mutig ist, der spricht auch unangenehme Dinge an – bevor sie vielleicht im Team oder Unternehmen Schaden verursachen und auf die Produktivität schlagen.
Vertrauen macht mutig – und unternehmerisch.
Vertrauen macht innovativ
Wann ist in deinem Team zuletzt eine richtige Kracher-Idee entstanden? Eine, die wirklich viel verändert hat? Und wie kam es dazu?
Innovationen entstehen dort, wo Menschen frei denken und handeln dürfen. Kreativität ist keine Fähigkeit, die man hat oder nicht hat. Jeder Mensch ist kreativ – und es hängt viel mehr an den Umständen, als an der Person, ob die Kreativität zum Ausdruck kommen darf.
Ich habe zum Beispiel die besten Ideen, wenn ich spazieren gehe, laufe oder eine Skitour gehe.
Wie ich mittlerweile weiß ist das kein Zufall – das hat damit zu tun, dass bei solchen Tätigkeiten mein Hirn frei „floaten“ darf.
Wenn wir konzentriert an einer Sache arbeiten, ist nur ein ganz bestimmter Teil unseres Gehirns aktiv (der präfrontale Kortex). Beim Laufen hat dieser Teil mal Ruhe, und die anderen Teile des Gehirns haben die Gelegenheit, sich auszutauschen und zu vernetzen. Und das ist genau der Grund, warum dabei neue und gute Ideen entstehen.
Vertrauen hat eine ähnliche Wirkung auf unser Gehirn. Wo Vertrauen ist, da kann die Alarmzentrale unseres Gehirns mal Pause machen. Die scannt nämlich unser Umfeld ständig nach Gefahren. Und so lange die aktiv ist, hat unser Gehirn wenig Kapazität für freies Denken und kreative Ideen, die dadurch entstehen können.
Vertrauen bedeutet auch, Abwesenheit von Angst.
Wenn ich das Vertrauen habe, dass jede Idee willkommen ist – egal wie verrückt oder banal sie sich anhören mag – dann fördert das die Kreativität. Innovative Ideen entstehen in dem Vertrauen, dass Fehler passieren dürfen – ohne dass mir der Kopf abgerissen wird. Und dass jede Idee es wert ist, gehört zu werden.
Vertrauen schafft Raum zum Experimentieren und Ausprobieren. Und für richtig gute Ideen, die Teams und Unternehmen nach vorne bringen.
Vertrauen macht glücklich
Freust du dich montags auf deine Kolleg*innen? Oder graut es dir bei dem Gedanken, Zeit mit ihnen zu verbringen?
Ich wünsche dir von Herzen ersteres. Weil die andere Variante auf Dauer nicht nur unglücklich, sondern krank macht. Wenn in einem Team das Vertrauen fehlt, dann wirkt sich das negativ auf die Stimmung aus und ist unheimlich anstrengend.
Wenn du deinen Teammitgliedern nicht vertrauen kannst, bist du ständig in Alarmbereitschaft: bloß keinen Fehler machen, bloß nichts Falsches sagen. Immer schön aufpassen, dass keiner mir an den Karren fährt. Das kostet Kraft und Energie – die anderweitig fehlt.
Mitarbeitende, die einander vertrauen sind definitiv glücklicher – und auch produktiver. In irgendeiner Studie habe ich den Wert von 20% gefunden – ob das stimmt sei dahin gestellt. Aber es meiner eigenen Erfahrung ist die gesteigerte Produktivität absolut logisch: denn wenn ich weniger Energie für „Schutzmechanismen“ aufwenden muss, fühle ich mich deutlich wohler und habe mehr Energie für produktiven Output.
Vertrauen schafft Wachstum
Vertrauen ist der Boden auf dem alles wächst. Diesen Satz hab ich mir von meinem lieben Blogger-Kollegen Mike Mühlegger geborgt. Ich finde, dieser Satz bringt es einfach wunderbar auf den Punkt.
Wenn in einem Team das Vertrauen fehlt, dann kann auch nichts Außergewöhnliches entstehen und wachsen. Klar können Teams auch ohne Vertrauen einigermaßen guten Output haben.
Aber in solchen Teams beobachte ich dann häufig „Dienst nach Vorschrift“. Es wird gemacht, was gemacht werden muss, damit einem niemand an den Karren fahren kann. Aufgaben werden abgearbeitet – aber Chancen und Verbesserungsmöglichkeiten bleiben links liegen.
Die Lust, sich einzubringen und die berühmte „Extrameile“ zu gehen, fehlt. In so einem Umfeld kann weder ein Business wachsen, noch die Menschen.
In welchen Situationen bist du persönlich am meisten gewachsen?
Bei mir waren es solche, in denen mir etwas zugetraut wurde. Manchmal auch etwas zuge-mut-et. Persönlich zu wachsen heißt, sich aus der eigenen Komfortzone herauszuwagen. Das kostet Überwindung. Denn außerhalb der Komfortzone startet direkt die Angstzone.
Der Schritt aus der Komfortzone fällt deutlich leichter, wenn ich darauf vertrauen kann, dass dort draußen in der Angstzone im Notfall ein Sicherheitsnetz auf mich wartet.
Zum Beispiel in Form einer Führungskraft, die hinter mir steht, was auch immer passiert. Oder in Form eines Teams, das sich mit mir über meine Erfolge freut und bei dem es mir überhaupt nichts ausmacht, über meine krachenden Fehlversuche zu sprechen.
Vertrauen schafft Wachstum – bei Menschen, Teams und Unternehmen.
Fazit: Vertrauen schafft Produktivität
Vertrauen macht also schnell, mutig und innovativ.
Es sorgt für glückliche, motivierte Mitarbeitende, die Lust haben, sich einzubringen. Vertrauen lässt Menschen wachsen, Ideen wachsen und damit auch Unternehmen.
Ohne Vertrauen werden viele Prozesse in Unternehmen zäh und langsam. Ohne Vertrauen sind Mitarbeitende viel seltener bereit, mutige Entscheidungen zu treffen, Neues auszuprobieren oder „die Extrameile“ zu gehen. Ohne Vertrauen macht Arbeiten auch einfach keinen Spaß – was schlecht für die Gesundheit der Mitarbeitenden ist und auch nicht grade zur Mitarbeiterbindung oder zum positiven Unternehmensimage beiträgt.
Auch wenn Vertrauen so soft und unscheinbar daher kommt: es ist einer der größten Produktivitätshebel in Unternehmen.
Oft höre ich Führungskräfte sagen: „Bitte komm mir nicht mit irgendwelchen Vertrauens-Workshops – für sowas haben wir keine Zeit. Wir müssen uns auf die Arbeit konzentrieren und voran kommen“.
Bei diesem Statement kommt mir dann immer das Bild in den Kopf, von den Steinzeitmenschen, die ganz angestrengt und schwitzend und prustend einen schweren Karren mit eckigen Rädern ziehen. Und hintendrein rennt einer, der ein rundes Rad in der Hand hat und seine Hilfe anbietet.
Aber die Leute am Karren sagen nur: „Nein danke – wir haben keine Zeit!“.
Ich bin überzeugt davon: die Zeit, die du in Vertrauensaufbau in deinem Team steckst, kommt doppelt und dreifach zurück. Durch mehr Produktivität! Und meistens ist auch gar nicht soo viel Zeit notwendig, wie du vielleicht denkst. Zum Start könntest du im nächsten Teammeeting mal diese Übung ausprobieren.
Interessiert, wie Vertrauensaufbau im Teamalltag aussehen kann? Dann trag dich gern für meinen Newsletter ein. Dort erhältst du ca. alle zwei Wochen pragmatische und leicht umsetzbare Impulse für deinen Teamalltag.