7 Impulse an mein jüngeres, von einem Changeprozess gebeuteltes ICH

Liebe Evelyn im Jahre 2012,

hier ist Dein Ich aus der Zukunft, aus dem Jahr 2021. Ich weiß, daß es Dir gerade nicht so gut geht. Wenn Du aber heute schon ein paar Dinge verstehst, die Du in 9 Jahren wissen wirst, dann wirst Du Dir in der aktuellen Situation vielleicht ein bisschen leichter tun. Deshalb schreibe ich Dir diesen Brief…

Du bist von einem Changeprozess in deiner Firma überrumpelt worden. Ich weiß, wie viele Fragen gerade durch deinen Kopf geistern. Ich weiß, dass Du Dich gerade in einem Strudel von Selbstzweifeln befindest und dass Dir manchmal einfach nur zum Heulen ist.

Ich weiß, dass Du Dich eigentlich aufrappeln willst und wieder Gas geben. Aber dass Du dich irgendwie wie gelähmt fühlst. Ich weiß auch, dass Dich das total sauer macht, weil Du Dich so gar nicht kennst und überhaupt nicht verstehst, was da grade mit Dir los ist.

Ich weiß, dass Trost jetzt nicht das ist, was Du hören willst. Du willst stark sein. Beweisen, dass Du klar kommst. Und möglichst schnell einen Plan haben, wie es jetzt weiter geht. Bitte nimm Dir trotzdem Zeit, Dir meine Impulse anzuhören:

Impuls #1: Nimm’s nicht persönlich. Es hat nichts mit Dir zu tun. Veränderungen in Unternehmen passieren einfach.

Ich weiß, diese Umstrukturierung hat dich hart getroffen. Es kam so unverhofft für dich – du hast es überhaupt nicht kommen sehen. Bis hier hin ging es in deiner Karriere immer nur bergauf und irgendwie auch wie von selbst.

Vom Junior zum Manager zum Director. Von einem großen Markenartikler zum nächsten. Vom Mitarbeiter zur Teamleitung. Du hast Dich immer voll reingehängt. Du hast immer viel Lob bekommen und warst immer eine von den „Guten“. Du warst in „Potential Development“ Programmen und konntest Dir aussuchen, was Du machen möchtest. Du hast sogar attraktive Angebote ausgeschlagen.

Und jetzt plötzlich das. Von heute auf morgen hast Du nicht mehr die Wahl. Wirst wie eine Schachfigur auf eine neue Position verschoben. Zack.

Love it or leave it. Or deal with it.

Du grübelst und fragst Dich immer wieder: „Warum? Liegt es an mir? Hab ich irgendwas falsch gemacht?“

Lass Dir gesagt sein meine Liebe: Veränderungen in Unternehmen passieren nun mal. Und es wird sicherlich nicht die letzte sein, die Du erlebst. Organisationen entwickeln sich weiter. Sie stellen sich neu auf, um besser für Herausforderungen gerüstet zu sind. Veränderungs-Initiativen und Umstrukturierungen haben meistens gute Gründe – auch wenn wir die als Betroffene nicht immer nachvollziehen können.

Wenn es gut läuft, dann vermitteln die Führungskräfte diese Gründe an die Betroffenen, so dass die besser verstehen, warum das gerade passiert.

Wenn es nicht so gut läuft, dann sind diese Gründe für uns nicht transparent und dann fangen wir selber an zu grübeln, oder zu hadern oder bitter zu werden. Aber lass Dir versichert sein: diese Veränderung hatte nichts mit Dir zu tun. Oder damit, dass Du irgendetwas falsch gemacht hast. Du standest halt mit auf dem Schachbrett. Und das wurde neu sortiert. Punkt.

Impuls #2: Es ist normal, dass Du Dich grade sch…. fühlst. Veränderungprozesse fühlen sich so an. Experten nennen das die „Veränderungskurve“  

Du fühlst Dich wahrscheinlich grad wie in einer Achterbahn der Gefühle. Du fragst Dich, ob Du „normal“ bist, weil Du noch nie erlebt hast, dass Dich ein Ereignis bei der Arbeit emotional so aus der Bahn wirft.

Ich kann Dich beruhigen. Du bist völlig normal. Was du gerade durchlebst, das durchleben alle Menschen, die durch einen Veränderungsprozess gehen. Dafür gibt es sogar einen Namen: die Veränderungskurve.

Wir erleben da ganz ähnliche Gefühle wie Menschen, die trauern: Schock. Leugnung. Wir können und wollen es nicht glauben. Widerstand: wir können es nicht akzeptieren, es muss doch einen Ausweg geben. Frust: irgendwann erkennen wir dann, dass wir nichts daran ändern können.

Wir sind frustriert, traurig, hilflos, erschöpft, hoffnungslos. Das ist das Tal der Tränen, der Tiefpunkt der Kurve. Dann kommt irgendwann die Akzeptanz: wir lernen, mit den neuen Umständen umzugehen und probieren Neues aus. 

Wenn Du dort angekommen bist, dann geht es wieder bergauf. Dann wirst Du Dich besser fühlen.  

Impuls #3: Du musst nicht so tun als wäre alles super. Schau hin, wo es weh tut. Und hol Dir Unterstützung!

Du hast gelernt, tapfer zu sein und zu funktionieren. Hast oft genug gehört: „Als Führungskraft musst Du stark sein und darfst nicht so viele Emotionen zeigen“.

Ich sag Dir heute: BULLSHIT! Eine Führungskraft, die keine Emotionen zeigt, ist ein Roboter. Und wer lässt sich schon gern von einem Roboter führen? Aber hier geht es grade auch nicht um Dich als Führungskraft, sondern um Dich als Mensch. Schau hin, wo es weh tut. Und dann hol Dir Unterstützung.

Würdest Du jemals auf die Idee kommen, selbst deinen Computer aufzuschrauben, wenn er nicht mehr richtig funktioniert? Wohl kaum. Weil Du Dich mit dem Innenleben von Computern nicht auskennst. Also holst Du Dir eine Expert*in.

Und warum glaubst Du dann, dass du in deiner aktuellen Situation, mit der Du Dich auch nicht auskennst, ohne Expert*in klarkommst? Unterstützung holen ist clever. Selber rumwurschteln ist Quatsch.

Impuls #4: Wenn der Autopilot ausfällt ist ein guter Zeitpunkt, die Route neu zu überdenken.

Ist das eigentlich DEIN Weg, auf dem Du da bist? Oder folgst Du nur blind irgendeinem Trampelpfad?  Wo Du eh grade „schachmatt“ gesetzt wurdest wäre doch vielleicht ein guter Zeitpunkt, um mal inne zu halten.

Wo hängt Dein Herz? Welche Träume hast Du – oder hattest Du mal? Liebst Du noch was Du da tust? Oder hast Du Dich ohnehin längst schon gelangweilt, hast es aber einfach ignoriert? Wann hat dich zuletzt etwas wirklich herausgefordert? Wann hattest Du zuletzt das Gefühl, dass Du wächst und Dich entwickelst?

Jetzt ist die Chance, deine Route neu zu überdenken. In welche Richtung möchtest Du gehen? Wohin möchtest Du wachsen? Was ist jetzt alles für Dich möglich?

Ich weiß, dass Du jetzt vielleicht sagst: „Ich sehe keine Route. Nur Sackgassen! Was soll ich denn anderes tun?“. 

Aber glaub mir – es gibt mehr Routen, als Du Dir heute vorstellen kannst. Und Du kannst jede einzelne davon gehen. Irgendwann wirst auch Du sie sehen. Dann wirst Du kaum fassen können, wie eingeengt dein Blick damals war.

Impuls #5: Es ist nie zu spät, neu anzufangen. Und auch ein erster Schritt ist ein Anfang.

Es dauert noch ein bisschen zu deinem 40. Geburtstag. Aber Du könntest auch heute schon mal die Rechenaufgabe lösen: wenn Du 40 bist, dann hast Du noch 27 Jahre bis zum offiziellen Rentenalter. Und Du wirst dann 16 Jahre gearbeitet haben. Und jetzt sag mir: meinst Du wirklich, dass es mit 40 zu spät ist, eine neue Route einzuschlagen?  

Neu anfangen heißt nicht, dass Du dein ganzes Leben über den Haufen werfen musst. Arbeite mit dem was Du schon hast und was Du schon bist.

Du bringst so viel Erfahrung mit. Baue darauf auf. Mach einen kleinen Schritt in eine Richtung, die Dir interessant erscheint. Das ist keine Entscheidung für Dein weiteres Leben. Es ist erst mal nur ein Schritt. Und von dort sieht die Welt vielleicht ganz anders aus. Vielleicht werden neue Routen sichtbar. Und wenn es Dir dort nicht gefällt, dann gehst du einfach wieder zurück.

Du könntest vielleicht eine Zusatz-Ausbildung machen. Hat Dich Coaching nicht immer schon interessiert? Oder wäre es vielleicht eine gute Idee, das Thema Change Management zu vertiefen? Du bringst jetzt ja erste-Hand-Erfahrungen aus der Sicht einer Betroffenen mit. Das ist ein großer Schatz!

Es ist ganz egal in welche Richtung Du gehst. Aber geh. Lieber ein Schritt in die falsche Richtung als stehen bleiben. Es gibt keine falsche Richtung. Jeder Schritt bringt dich weiter.

Impuls #6: Das Leben außerhalb der Komfortzone sieht gefährlich aus. ABER: that’s where the magic happens!

Ich weiß, dass Du abenteuerlustig bist. Und ich weiß auch, dass Dir Sicherheit sehr wichtig ist. Du bist grade aus Deiner Komfortzone geschubst worden und das fühlt sich nicht gut an.

Und jetzt sag ich Dir auch noch, dass Du Dich noch ein Stück weiter rauswagen sollst und etwas Neues ausprobieren. Ich weiß, dass Dir das vielleicht Angst macht. Denn direkt hinter unserer Komfortzone beginnt die Angstzone.

Aber jetzt verrate ich Dir ein Geheimnis: direkt hinter unserer Komfortzone beginnt auch unsere Lernzone. Lernen und weiterentwickeln findet immer außerhalb der Komfortzone statt. Und alles was irgendwie spannend ist, auch!

Mach zuerst kleine Schritte. Du weißt, dass Du immer wieder zurück gehen kannst, wenn es Dir zu gefährlich wird. Aber Du wirst bald merken, dass das genau Dein Ding ist da draußen. Ich sehe Dich schon Anlauf nehmen und große Sprünge machen! Tschüß Komfortzone – hallo Welt der Möglichkeiten! 

Impuls #7: Was wäre, wenn Du eines Tages über diese Phase sagst: „Das war das Beste, was mir passieren konnte“?

Im Moment machst Du Dir wahrscheinlich Gedanken darüber, wie Du die aktuelle Veränderung in deinem Lebenslauf gut verpacken kannst. Ich weiß, dass Du das so gelernt hast.

Aber glaub mir – Lebensläufe sind völlig überbewertet. Was wirklich zählt, das ist unsere Persönlichkeit und die Erfahrungen, die wir machen.

Und mal ganz ehrlich: die interessantesten und oft auch erfolgreichsten Menschen sind doch die, mit den unkonventionellen Lebensläufen. Die, die sich was getraut haben. Die, die auch mal gescheitert sind. Die, die sich neu erfunden haben.

Was wäre, wenn Du diese Veränderung nicht als Makel in deinem Lebenslauf sehen würdest, sondern als Highlight? Was wäre, wenn das die Initialzündung zu etwas Neuem, ganz Großem wäre?

Was, wenn Du eines Tages auf diese Zeit zurückschaust und sagst: „Ja, das war damals schwer. Aber ich bin so dankbar dafür. Sonst hätte ich so viel verpasst im Leben. Ich wäre um so viele Erfahrungen und Begegnungen mit großartigen Menschen ärmer. Ich hätte niemals diesen Weg eingeschlagen. Und ich wäre wahrscheinlich niemals so glücklich und erfüllt gewesen.“

So meine Liebe 2012er Evelyn, jetzt bin ich am Ende mit meinen Impulsen. Nimm davon mit, was Du brauchen kannst. Und ich freue mich schon sehr darauf, wenn wir uns in 9 Jahren sprechen und ich sehe, was Du draus gemacht hast.

Herzliche Grüße,

Deine Evelyn aus dem Jahr 2021

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