Was ist die Vertrauensformel?

Wie kann man Vertrauen im Team messen? Auf jeden Fall nicht mit Zollstock, Waage oder Taschenrechner. Aber dank der Vertrauensformel auch nicht nur mit Bauchgefühl. Die Vertrauensformel gibt uns ein paar greifbare Parameter an die Hand, die beschreiben, was Vertrauen zwischen Menschen wachsen lässt und was Vertrauen eher zerstört. Damit eignet sich die Vertrauensformel auch wunderbar für Teamentwicklungsprozesse.

Was ist Vertrauen?

Vertrauen ist zunächst mal ein (Bauch-) Gefühl. Wir können Vertrauen nicht objektiv messen. Dennoch können wir meist sehr schnell und intuitiv sagen, wie sehr wir jemandem vertrauen:

  • Welchen Kolleg*innen würdest du, ohne mit der Wimper zu zucken, dein Auto leihen? Welchen eher nicht?
  • Wem in deinem Arbeitsumfeld würdest du mit einem guten Gefühl dein Kind zur Betreuung überlassen? Wem eher nicht?
  • An welche Kolleg*innen würdest du dich in einer schwierigen persönlichen Situation wenden? An welche eher nicht?

Wenn wir darüber nachdenken, warum wir diesen Menschen vertrauen (oder eben nicht), dann ist das oft gar nicht so leicht in Worte zu fassen. Vielleicht lauten die Antworten in etwa so: „Weil ich weiß, dass sie sehr umsichtig Auto fährt“. Oder „Weil er selbst drei Kinder hat und ich daher weiß, dass er sehr gut mit Kindern umgehen kann“ oder „Weil ich erlebt habe, dass sie gut zuhören kann und Dinge auf jeden Fall für sich behält.“

Wir haben bei genauerem Nachdenken also schon auch objektive Gründe, warum wir jemandem vertrauen oder eher nicht. Die Vertrauensformel bringt diese objektiven Gründe auf den Punkt und macht Vertrauen damit ein gutes Stück messbarer.

Was ist die Vertrauensformel?

Die Vertrauensformel fasst die Parameter in Worte, die hinter den Antworten auf die Frage „Warum vertraue ich dieser Person“ stehen. Sie gibt uns 4 entscheidende Themenbereiche an die Hand, die wir gut begreifen, benennen und bearbeiten können. Mit der Vertrauensformel wird das vage Bauchgefühl zu einem Mischpult: wenn wir die einzelnen Regler hochfahren, können wir Vertrauen zu anderen Menschen systematisch aufbauen. Und wir können damit besser benennen und begreifen, warum wir aktuell vielleicht dem Kollegen A mehr vertrauen als Kollegin B.  

So sieht die Vertrauensformel aus:

Mein Vertrauen zu einer bestimmten Person ist das Ergebnis aus deren Glaubwürdigkeit mal deren Verlässlichkeit mal der Nähe, die ich zu ihr empfinde. Und das alles wird dann geteilt durch die Selbstbezogenheit dieser Person.

Was sind die Parameter der Vertrauensformel?

Die 4 Parameter der Vertrauensformel sind

  • Glaubwürdigkeit
  • Verlässlichkeit
  • Nähe
  • Selbstbezogenheit

Glaubwürdigkeit: Als wie glaubwürdig nehme ich Kolleg*in XY wahr? Wie steht es um seine Expertise? Kann er mir vermitteln, dass er Ahnung von seinem Thema hat, oder nehme ich ihn eher als Dampfplauderer wahr? Liefert er überzeugende Ergebnisse ab?

Verlässlichkeit: Wie verlässlich ist Kolleg*in XY in meinen Augen? Lässt sie ihren Worten auch Taten folgen? Hält sie sich an Vereinbarungen? Kann ich mich darauf verlassen, dass sie liefert, was sie verspricht? Hält sie sich an Deadlines?

Nähe: Wie nahbar und empathisch erlebe ich Kolleg*in XY? Wie viel gibt er von sich preis? Teilt er auch mal persönliche Anekdoten und zeigt sich als Mensch? Wie viel Interesse zeigt er an mir als Mensch? Und wie gut fühle ich mich von ihm verstanden?

Diese drei Parameter stehen in der Formel oberhalb vom Bruchstrich und werden miteinander multipliziert. Sie wirken alle drei vertrauensbildend. Je mehr ich von jedem einzelnen Parameter in die Waagschale (oder Gleichung) werfen kann, desto besser fürs Vertrauen. Beim nächsten Parameter verhält es sich genau umgekehrt.

Selbstbezogenheit: Je mehr Ego und Selbstbezogenheit beim Austausch mit der anderen Person mitschwingt, desto schlechter fürs Vertrauensverhältnis. Wie stark lässt sich Kolleg*in XY auf mich als Gegenüber ein? Hört sie mir zu? Oder redet sie selbst ohne Punkt und Komma, ohne auf meine Äußerungen einzugehen? Interessiert sie sich für meine Meinung oder ist es ihr viel wichtiger, ihre eigenen Gedanken und Ideen zu teilen? Nimmt die Kolleg*in wahr, wie es mir geht oder ist sie nur mit sich selbst beschäftigt? Kann Kollege XY auch mal einen Fehler zugeben und sich entschuldigen? Lässt er die brilliante Idee von den Teammitgliedern präsentieren, die die Idee entwickelt haben oder möchte er lieber selbst im Rampenlicht stehen?

Die Selbstbezogenheit steht unterm Bruchstrich in der Formel. Das heißt, Glaubwürdigkeit, Nähe und Verlässlichkeit werden durch sie relativiert. Ist die Selbstbezogenheit bei einer Person sehr stark ausgeprägt, dann sind die Chancen hoch, dass wir dieser Person weniger vertrauen, selbst wenn Glaubwürdigkeit, Nähe und Verlässlichkeit eigentlich vorhanden sind.

Wie kann ich die Vertrauensformel in der Teamentwicklung einsetzen?

Vertrauen ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für starke Teams. Wenn Vertrauen im Team fehlt, dann macht das die Zusammenarbeit komplizierter, langsamer und sie macht viel weniger Spaß. Grund genug also, das Thema Vertrauen im Team anzupacken. Es muss nicht immer ein kompletter Teambuilding Workshop sein. Die Vertrauensformel eignet sich wunderbar für die kleine Teamentwicklung zwischendurch. Sie macht das vage Gefühl von Vertrauen messbarer und damit auch besprechbarer. Sie ist ein toller Ansatzpunkt, um sich individuelles Feedback zu geben. Wenn Kollege XY versteht, dass er mit seinen immer wieder verdaddelten Deadlines nicht nur die Kollegen nervt, sondern auch Vertrauen verspielt, dann ist das vielleicht ein guter Grund für ihn, etwas zu ändern. Jeder Parameter der Vertrauensformel ist wie ein Schräubchen, an dem gedreht werden kann. Und jede kleine Umdrehung schafft mehr Vertrauen im Team.

Hier ist eine konkrete Idee, wie du die Vertrauensformel in deinem Team nutzen kannst – ihr solltet euch dafür ca. 35-45 min Zeit nehmen.

Wenn ihr euch in eurem Team zum ersten Mal mit dem Thema Vertrauen auseinander setzt, dann empfehle ich, die Vertrauensformel erst mal auf eure Stakeholder und Schnittstellen anzuwenden. Das ist für ein erstes Bekanntmachen mit der Vertrauensformel einfacher und unkritischer, als wenn es direkt ans persönliche Feedbackgeben geht.

So könnt ihr dabei vorgehen:

  • Bitte deine Teammitglieder, die Namen von 5 Kolleg*innen auf einen Zettel zu notieren, die wichtige Schnittstellen für euer Team sind (2 min)
  • Bitte sie anschließend, aus dem Bauch heraus mit einer Zahl zwischen 0 und 10 zu bewerten, wie sehr sie den jeweiligen Kolleg*innen vertrauen. Dabei entspricht 0 „überhaupt nicht“ und 10 „ich vertraue vollkommen“ (2-3 min)
  • Bitte dann jeweils 2 Teammitglieder, sich über ihre Ergebnisse (Zahlen) und die dahinter liegenden Begründungen auszutauschen; bitte sie, sich ein paar Notizen zu den Begründungen zu machen. Welche Begriffe oder Verhaltensweisen fallen bei eher hohen Bewertungen? Welche bei eher niedrigen Bewertungen? (10 min)
  • Sammelt dann eure Erkenntnisse im Plenum (5 min): welche Begriffe und Verhaltensweisen wirken vertrauensfördernd? Welche vertrauensmindernd? Vielleicht finden sich ja bereits die Parameter der Vertrauensformel darunter.
  • Stelle anschließend die Vertrauensformel vor (5 min). Wie lassen sich die Begriffe und Verhaltensweisen, die ihr benannt habt, dort einordnen?
  • Wrap-up (10 min): was nehmt ihr aus der Übung mit? Was wollt ihr aufgrund der Erkenntnisse vielleicht angehen, um mehr Vertrauen mit den Kolleg*innen an den Schnittstellen aufzubauen?
    Vielleicht ein klärendes Gespräch führen? Oder ein Feedback geben? Möglichkeiten für mehr Nähe schaffen? Stellt sicher, dass ihr konkrete Vereinbarungen trefft, und die auch nachhaltet. Und in einigen Wochen oder Monaten dann noch einmal überprüft, ob sich in Sachen Vertrauen an dieser Schnittstelle etwas verändert hat.

Du möchtest weitere Ideen, wie du die Vertrauensformel nutzen kannst und wie du Teamentwicklung unkompliziert in den Arbeitsalltag einbauen kannst? Dann kontaktiere mich gerne und wir besprechen gemeinsam, wie das für dein Team funktionieren kann.

2 Kommentare zu „Was ist die Vertrauensformel?“

  1. Liebe Evelyn das ist ein sehr interessanter Artikel. Von dieser Formel wusste ich nichts. Ich denke beim Vertrauen spielt auch eine große Rolle, welche Erlebnisse jeder einzelne in seiner Biografie erlebt hat. Dadurch reagiert er mit viel oder wenig Vertrauen.
    Je mehr Vertrauen, desto weniger Angst und je mehr Angst desto weniger Vertrauen.
    Deine Formel hilft, das zu erkennen.
    Dankeschön

    Herzliche Grüße von Anita

    1. Liebe Anita, da bin ich ganz bei dir. Es gibt Menschen, die geben automatisch einen Vertrauensvorschuss. Bei anderen muss man sich das Vertrauen hingegen erst verdienen. Aber ich denke in beiden Fällen können wir durch die Kenntnis und die bewusste Nutzung der Vertrauensformel dazu beitragen, dass mehr Vertrauen entsteht.
      Ich danke dir für deinen Kommentar.

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