Mehr Mut! Das wünschen sich viele Führungskräfte von ihrem Team. „Einfach mal machen!“. „Neue Wege gehen, innovativer sein!“. „Pragmatischer sein! Damit wir effizienter und schneller werden!“. „Sich einfach mal trauen!“ Und gleichzeitig erleben viele Führungskräfte, dass solche Appelle meistens nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Warum ist das so? Und wie kann es anders gehen?
Die Blogparade von Esther Nogler zum Thema „Mutig sein“ hat mich dazu inspiriert, mal etwas näher zu beleuchten, was genau Menschen mutig sein lässt. Um daraus dann Erkenntnisse abzuleiten, wie wir als Führungskräfte dazu beitragen können, dass unsere Teams mutiger werden.
Was lässt Menschen mutig sein?
Ich habe mal etwas nachgeforscht, wann ich in meinem Leben mutig war. Dabei habe ich fünf Szenarien gefunden, die mich haben mutig sein lassen.
1. Mut entsteht, wenn die Sehnsucht größer ist als die Angst
Ich liebe diesen Satz. Ich habe ihn vor Jahren mal auf einer Postkarte gelesen und er hat sofort mein Herz berührt und sich ganz fest in mein Gedächtnis gebrannt.
Ich habe einige mutige Entscheidungen in meinem Leben getroffen: im Ausland zu studieren, für den Job (und die Liebe) umzuziehen, alleine mit dem Rucksack durch China zu reisen (in Zeiten ohne Handy und kaum Internet), in meine Weiterbildung zu investieren, einen neuen Berufszweig zu wählen, den Weg in die Selbständigkeit zu wagen (und auch wieder zurück), etc…
In dem Moment, in dem ich mich entschieden habe, war mir oft gar nicht bewusst, wie mutig dieser Schritt ist. Denn da war meist die Begeisterung und die Sehnsucht so groß, dass für die Angst gar kein Platz war.
Wenn wir von etwas begeistert sind, dann denken wir nicht lange drüber nach, was alles schief gehen könnte, sondern wir machen einfach.
Wenn wir einen Herzenswunsch haben, dann fällt es uns nicht schwer, für dessen Verwirklichung Risiken einzugehen, die wir sonst niemals eingehen würden, und die Regeln etwas großzügiger auszulegen, als wir das sonst tun würden. Irgendwie scheint sich da unser Gehirn auszuschalten und wir hören einfach nur auf unseren Bauch.
Manchmal verlieren wir uns aber auch in unseren Ängsten.
Die Zweifel nehmen überhand und wir denken nur noch drüber nach, was alles schief gehen könnte, und warum das auf gar keinen Fall geht. (Mir ging das z.B. so, als ich den Sprung in die Selbständigkeit abgewogen habe. Da waren auf einmal jede Menge Ängste da. Von der finanziellen Unsicherheit über die „bin-ich-überhaupt-gut-genug“-Frage bis hin zu der Angst vor dem Scherbenhaufen, vor dem ich stehen könnte, wenn das alles nicht so funktioniert, wie ich mir das denke.)
Auch in solchen Situationen finde ich den Satz extrem hilfreich. Er erinnert daran, dass es ja auch eine positive Seite der Medaille gibt: dass hinter der Angst etwas auf mich wartet, für das es sich lohnen könnte, mutig zu sein und es mit der Angst aufzunehmen.
2. Mut entsteht, wenn die aktuelle Situation unerträglicher ist, als die Angst
Wenn wir eine Sehnsucht oder einen Traum verwirklichen wollen, dann ist es meist leicht, mutig zu sein. Mut entsteht aber auch dann, wenn uns klar wird, dass wir die aktuelle Situation nicht länger ertragen wollen.
Wenn wir uns eingestehen, dass wir trotz aller Bemühungen nicht zu den Ergebnissen gekommen sind, die wir uns eigentlich erhofft hatten. Wenn wir mit Menschen zu tun haben, die uns nicht guttun. Wenn unsere Aufgaben und unser Umfeld uns mehr Kraft rauben, als sie uns geben. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir mit unseren Ideen und Vorschlägen immer wieder gegen eine Wand laufen und nicht gehört werden. Wenn wir mit dem Herzen nicht mehr bei der Sache sind. Wenn wir schlichtweg das Gefühl haben, dass wir nicht am richtigen Platz sind und mit dem, was wir tun, unsere Energie und letztlich unsere Lebenszeit vergeuden.
Je unerträglicher wir die Situation empfinden, desto mutiger lässt uns das nach Alternativen suchen. Sie öffnet uns die Augen für Möglichkeiten, die wir vorher nicht gesehen haben. Sie lässt uns Optionen in Betracht ziehen, die wir vorher kategorisch abgelehnt haben. Sie gibt uns den Mut, andere um Hilfe zu bitten. Und sie lässt uns Risiken eingehen, die wir sonst wohl eher nicht eingegangen wären.
Manchmal muss es erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann. Manchmal muss uns erst „der Kittel brennen“ (wie man in meiner schwäbischen Heimat sagt), damit wir den Mut aufbringen, etwas zu verändern. Manchmal brauchen wir eine unerträgliche Situation als Tritt in den Hintern, damit wir den Mut aufbringen, um uns in Bewegung zu setzen.
3. Mut entsteht, wenn die eigenen Werte stärker sind, als die Angst
Ich bin nicht unbedingt die Lauteste in größeren Meetings oder Diskussionsrunden und auch nicht die, mit dem größten Redeanteil. Ich sage durchaus meine Meinung, aber ich kann mich auch sehr gut zurückhalten und einfach nur zuhören.
Wo ich mich aber gar nicht zurückhalten kann ist, wenn mir etwas gegen den Strich geht. Wenn es zum Beispiel irgendwo unfair zugeht oder jemand unehrlich ist. Dann werde ich gerne mal laut. Und dann kann ich eine unglaubliche Hartnäckigkeit an den Tag legen, um meinen Punkt zu machen.
Unsere Werte sind unsere inneren Antreiber. Sie können unheimlich viel Kraft in uns mobilisieren. Wenn wir etwas erleben oder beobachten, das gegen unsere Werte verstößt, dann gibt uns das die Kraft, um mutig unsere Stimme zu erheben und uns für das einzusetzen, was uns wichtig ist.
4. Mut entsteht, wenn dir etwas zuge-MUT-et wird
Es war in der zweiten Woche bei meinem neuen Arbeitgeber, als ich eine schöne Aufgabe übertragen bekam. Ich war noch ziemlich am Anfang meiner Karriere und arbeitete damals im Konsumgütermarketing. Und jetzt sollte ich gemeinsam mit der Agentur eine Outdoor-Kampagne entwickeln und für deren Umsetzung sorgen. Mit Freude machte ich mich ans Werk.
Als ich ein vorzeigbares Zwischenergebnis hatte, machte ich einen Termin mit meinem Chef. Ich wollte ihn auf den aktuellen Stand bringen und mir sein ok für die weitere Vorgehensweise einholen. Und dann kam die große Überraschung. Er wollte das alles gar nicht sehen sondern sagte nach einem flüchtigen Blick nur:“ Du machst das schon. Ich vertrau dir. Und du entscheidest das.“
Boah! Er hat ich einfach ins kalte Wasser geworfen. Das hat mich erstmal sprachlos gemacht. Einerseits fand ich das ja ziemlich cool, dass er mir so viel zutraute. Aber gleichzeitig hatte ich tierisches Muffensausen. Was, wenn ich einen Fehler mache?
Dieses „Du machst das schon“ hat mich einige schlaflose Nächte gekostet. Es ging immerhin um einen 7-stelligen Betrag! Und ich hatte so eine große Entscheidung noch nie alleine getroffen…
Ich habe dann einfach gemacht. Nach bestem Wissen und Gewissen. Ich war mutig, weil mir etwas zugemutet wurde. Von alleine hätte ich mir das nicht zugetraut. Diese Erfahrung hat mich definitiv mutiger und selbstbewusster werden lassen.
Mutig zu sein bedeutet immer, sich aus der eigenen Komfortzone herauszuwagen. Von selbst gehen wir diesen Schritt oft nicht, weil unsere Angst zu groß ist. Da ist so ein sanfter Schubs von außen durchaus hilfreich. Und die „Zumutung“ bekommt auf einmal eine ganz andere Bedeutung.
5. Mut entsteht, wenn du weißt, dass jemand an deiner Seite steht
Das Beispiel von oben zeigt sehr deutlich: es ist leichter, mutig zu sein, wenn ich weiß, dass jemand an meiner Seite steht. Jemand, der mir etwas zutraut. Und jemand auf den ich vertrauen kann, falls etwas schief läuft.
Ich konnte mich darauf verlassen, dass mein Chef mich nicht hätte hängen lassen, wenn ich einen gravierenden Fehler gemacht hätte. Er hätte den Fehler mitverantwortet. Das hat es mir leichter gemacht, mutig zu sein. Denn das Risiko wurde dadurch geringer.
Mut entsteht also dann, wenn jemand neben oder hinter uns steht. Wenn wir wissen, dass wir ein sicheres Fallnetz oder einen doppelten Boden haben.
Mutig sein ist keine Frage der DNA – es ist eine Entscheidung
„Manchen Menschen wird Mut einfach in die Wiege gelegt. Die haben einfach keine Angst!“ Das denkt man sich manchmal, wenn man sieht, was andere sich alles trauen (und man selbst nicht).
Das stimmt aber so nicht. Natürlich gibt es unterschiedliche Charaktere. Schon bei Babies oder Kleinkindern gibt es welche, die eher vorsichtig sind und welche, die ganz beherzt die Welt erkunden.
Mutig zu sein ist aber immer eine Entscheidung. Auch mutige Menschen haben Angst. Selbst gefeierte Weltstars berichten, dass sie immer noch Angst haben, bevor sie auf die Bühne gehen.
Aber mutige Menschen entscheiden sich dafür, sich dieser Angst zu stellen, statt sich von ihr einschüchtern zu lassen.
Wir können uns in jeder Situation immer wieder entscheiden, ob wir mutig sein wollen oder nicht. Es ist eine Abwägung zwischen positiven und negativen Konsequenzen. Zwischen möglichem Gewinn und möglichem Verlust. Und manchmal müssen wir nur unseren Blick ein wenig mehr auf das Positive und den möglichen Gewinn lenken, um mutiger zu sein.
Als Führungskraft kannst du dein Team unterstützen, sich fürs mutig sein zu entscheiden
„Seid einfach mutig!“ Dieser Satz allein wird wohl eher nicht bewirken, dass deine Teammitglieder mutiger werden. Denn unser Gehirn ist nun mal darauf programmiert, alles zu vermeiden, was gefährlich sein könnte.
Deshalb sind die meisten Menschen im Normalzustand eher nicht so mutig, und halten sich an das Bewährte und Sichere. Es braucht schon gute Gründe, dass wir uns fürs Mutigsein entscheiden und in die „Gefahrenzone“ vorwagen
Als Führungskraft kannst du aber dafür sorgen, dass dein Team es dennoch tut. Du kannst Rahmenbedingungen schaffen, die bei deinen Teammitgliedern Mut entstehen lassen. Hier sind ein paar Ideen, wie das gelingen kann:
Lass die Sehnsucht größer werden, als die Angst
Dein Team leistet bestimmt großartige Arbeit. Aber ist deinen Teammitgliedern auch immer klar, wozu sie das alles machen? Hat dein Team eine klare und attraktive Mission, die jeden von euch auch an einem schlechten Tag voll Freude aus dem Bett hüpfen lässt? Habt ihr eine anspornende Vision, die Energie mobilisiert, um einen Schritt aus der Komfortzone zu gehen?
Oft fristen Mission und Vision ein trauriges Dasein in irgendeinem vergessenen Powerpoint Dokument auf dem Laufwerk. Wenn Mission und Vision aber ein lebendiger Teil eures Teamalltags sind, dann können sie die Kraft und Sehnsucht entfalten, die dein Team mutiger werden lässt. Denn dann gibt es immer einen guten Grund, die Angst zu überwinden.
Nutze die Energie aus unerträglichen Situationen für mutige Entscheidungen
Wenn alles gerade unerträglich erscheint, dann kann man sich entweder dieser schrecklichen Realität hingeben und lamentieren und sich immer weiter runter ziehen lassen…oder du nutzt die Energie mit deinem Team für eine Schubumkehr.
Wenn es eh nicht mehr schlimmer kommen kann – dann kann man doch auch mal eine verrückte Entscheidung treffen. Einen mutigen Vorschlag machen, nur um zu schauen, was passiert.
In schwierigen Zeiten sind „normale“ Regeln oftmals ausgehebelt. Die beste Zeit also, um lang gehegte Ideen einfach mal auf den Tisch zu bringen und als Alternativen
Mute deinem Team etwas zu
Trau deinem Team ein bisschen mehr zu, als dir wohl dabei ist. Gib ihnen ein Ziel vor oder eine Aufgabe, die eine Nummer zu groß erscheint oder ein bisschen zu unrealistisch ist. Mach ihnen klar, dass sie das alleine wuppen sollen. Und dann pfusche nicht ständig dazwischen. Und sei bereit, das Ergebnis zu akzeptieren, auch wenn du es vielleicht anders gemacht hättest. Du wirst erstaunt sein, wozu dein Team in der Lage ist.
Gib deinem Team das gute Gefühl, dass du an ihrer Seite stehst
Nichts macht mutiger als zu wissen, dass ich nicht allein bin, falls etwas schief gehen sollte. Dass jemand neben mir, hinter mir vor mir steht, wenn plötzlich ein Sturm aufzieht.
Mache deinem Team deutlich, dass Fehler nicht das Ende der Welt sind und dass du bereit bist, die Verantwortung mitzutragen. Du solltest das natürlich nicht nur sagen, sondern auch bislang glaubhaft vermittelt haben, dass du das ernst meinst.
Das Schöne am mutig sein: man kann es – wie fast alles im Leben – lernen. Es passiert nicht von heute auf morgen und auch nicht mit einem großen Knall. Aber mit jedem kleinen mutigen Schritt trainieren wir unseren „Mutmuskel“.
Liebe Evelyn
Was lässt Menschen mutig sein? Zu all deinen erwähnten Punkten kann ich auch überzeugt “JA!” sagen.
Punkt 1 gefällt mir besonders gut und auch der Hinweis: Mutig sein ist keine Frage der DNA –es ist eine Entscheidung.
Toll, dass du auch gleich ein paar Anregungen für Führungskräfte gibst, wie sie ihr Team beim MUTIG SEIN unterstützen können.
Vielen Dank, dass du mit diesem Beitrag meine Blogparade: Da war ich mutig! sehr bereichert hast.
Liebe MUT-Grüsse aus der Schweiz
Esther
Liebe Esther,
vielen Dank für deine nette Rückmeldung. Und danke dir nochmal für den Impuls, den du mit deiner Blogparade gegeben hast. Mut ist gerade in der aktuellen Zeit so ein wichtiges Thema – in der Politik, in Unternehmen, im täglichen Miteinander und für jeden individuell…