Neulich hat mir ein Kunde im Gespräch gesagt: “Wir müssen dringend an unserer Fehlerkultur arbeiten. Die Leute sollen mutiger werden. Sie sollen einfach machen, statt alles nach oben zu delegieren und sich für alles abzusichern”. Viele Geschäftsführer wünschen sich das für ihr Unternehmen. Viele Führungskräfte für ihre Teams.
Aber wie kommt man zu einer besseren Fehlerkultur? Was braucht es, damit sich Mitarbeitende mehr trauen und einfach mal machen? Statt zu zögern, weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen?
Ich kann dafür einen Besuch im Skatepark empfehlen. Dort lässt sich wunderbar beobachten, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit eine positive Fehlerkultur entstehen kann.
Als meine Söhne noch etwas jünger waren, habe ich sie häufig zum Skatepark begleitet. Während sie sich ausprobiert haben, saß ich irgendwo am Rand und hab dem bunten Treiben zugeschaut.
Mich hat jedes mal erneut die Atmosphäre fasziniert, die dort herrscht: die selbstorganisierte Wuseligkeit, die Rücksicht, der Respekt. Das freundliche Miteinander, der Mut, die Ausdauer und die schier endlose Energie, die die Skater antreibt.
Was braucht es, damit eine Lern- und Fehlerkultur entstehen kann?
Bei einem dieser Besuche hat mich ein jugendlicher Skater ganz besonders in den Bann gezogen: er übte offensichtlich einen neuen Trick und das mit einer unglaublichen Ausdauer.
Er stürzte dabei auch öfter mal. Aber davon ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Er machte einfach immer weiter, ging den Bewegungsablauf noch mal ohne Skateboard durch und fing wieder von vorne an.
Das fand ich sehr beeindruckend: gelebte Fehlerkultur vom Feinsten! Ich habe mir die Frage gestellt, was ihn wohl antreibt.
Und was es wohl braucht, um genau dieses Verhalten – machen, aus Fehlern lernen, es noch mal versuchen und trotz Rückschlägen immer weiter machen und weiter verbessern – in den Alltag in Unternehmen zu bringen.
Was braucht es, damit in Teams und Unternehmen eine Lern- und Fehlerkultur entstehen kann? Auf diese Frage habe ich im Skatepark diese vier Antworten gefunden:
Learning #1: Für Fehlerkultur braucht es ein klares, attraktives Ziel vor Augen
Dieser Skater wollte diesen Trick beherrschen. Ich weiß nicht, warum – aber es war offensichtlich, dass er es wollte. Er wollte es so sehr, dass ihn auch die zum Teil bestimmt schmerzhaften Stürze nicht davon abhalten konnten, weiter zu machen.
Er stand einfach immer wieder auf, schnappte sich sein Skateboard, ging den Bewegungsablauf noch mal ohne Brett durch und startete einen neuen Versuch. Er hatte ein sehr klares und attraktives Ziel vor Augen, das er unbedingt erreichen wollte. Und das gab ihm die Energie und die Ausdauer, diesen Trick immer wieder zu üben.
Wenn wir den Blick vom Skatepark jetzt mal in unseren Arbeitsalltag richten: Wie steht es denn um die Ziele in deinem Team?
- Sind die allen klar und für alle attraktiv?
- Haben deine Mitarbeitenden und du ein einheitliches Bild im Kopf, worauf ihr gemeinsam hinarbeitet und warum sich das lohnt?
- Geben die Ziele dir und deinem Team die Energie und Ausdauer, um auch in schwierigen Situationen und nach Rückschlägen weiter an der Erreichung dranzubleiben?
Wer ein klares, attraktives Ziel vor Augen hat, der kann gar nicht anders, als es erreichen wollen!
Wer ein klares, attraktives Ziel vor Augen hat, der kann gar nicht anders, als loslegen, um es zu erreichen. Und trotzdem passiert dann manchmal nichts oder nicht genug in einem Team. Denn vor dem schwierigen ersten Schritt kommen oft Fragen und Zweifel auf:
können wir das überhaupt? Und was ist, wenn wir einen Fehler machen?
Hier lohnt sich wieder ein Blick in den Skatepark.
Learning #2: „Ich bin hier, um mich zu verbessern – nicht um den perfekten Trick abzuliefern“
Wer mit seinem Skateboard zum Skatepark kommt, der möchte sicherlich auch ein paar Kumpels treffen, und ein bisschen zeigen, was er kann. Aber der Skateboarder, der mich an diesem Tag so fasziniert hat, hatte vor allem eines im Sinn: “Ich bin hier, um besser zu werden.“
Mit dieser Grundhaltung im Kopf hat er dann geübt. Mit einer Wahnsinns Ausdauer. Den gleichen Trick, immer und immer wieder. Er war ganz bei sich und voll darauf fokussiert, den Bewegungsablauf zu optimieren. Er wollte mit jedem Versuch ein kleines bisschen besser werden.
Er hat sich durch einen missglückten Versuch oder einen Sturz nicht entmutigen lassen. Er hat weder geflucht noch sein Brett wütend auf den Boden geworfen. Und er ist auch nicht enttäuscht mit einem „Ach – das schaff ich doch eh nie“ Blick von dannen gezogen.
Er ist nicht zum Skatepark zu kommen, um den perfekten Trick abzuliefern und gut auszusehen. Er ist gekommen, um sich selbst zu übertreffen. Um etwas Neues auszuprobieren und ein kleines bisschen besser zu werden.
Was wird in deinem Team eher belohnt: der perfekte Trick oder der mutige Versuch?
Mit welcher Grundhaltung geht ihr in eurem Team denn an neue Herausforderungen heran? Sucht ihr eher nach der perfekten Lösung, die erst präsentiert wird, wenn noch ein Schleifchen dran ist und Goldstaub drüber gepudert wurde?
Oder freut ihr euch schon über eine “gut-genug-Lösung”, die noch deutliche Ecken und Kanten hat und vielleicht noch ein bisschen hässlich ist?
Und was erntet mehr Anerkennung von Kolleg*innen und Vorgesetzten – der perfekte Trick oder der gescheiterte Versuch?
Wir werden in unserem Bildungssystem schon von klein auf dazu erzogen, Fehler möglichst zu vermeiden. Wir werden eher für den perfekten Trick gelobt, als für den vielleicht misslungenen, aber mutigen Versuch.
Das wirkt auch in die Arbeitswelt nach. Denn diese Denke lässt sich leider nicht von heute auf morgen abstellen. Aber als Führungskraft kannst du dazu beitragen, dass in deinem Team der mutige Versuch oder die “eckig-kantige-gut-genug-Lösung” mehr Raum und Anerkennung bekommen.
Du kannst dafür sorgen, dass deine Mitarbeitenden sich wohl damit fühlen, einfach mal etwas zu wagen und sich auch trauen, halbfertige Lösungen mit anderen zu teilen, um Feedback und Verbesserungsvorschläge zu bekommen.
Auch da können wir wieder etwas im Skatepark lernen:
Learning #3: Wer Neues wagt braucht ein sicheres Umfeld
Im Skatepark wird es ganz offensichtlich: wer etwas Neues wagt, der fällt auch öfter mal auf die Schnauze. Im normalen Leben ist es uns oft peinlich, wenn uns etwas nicht gelingt. Wir fürchten die hämischen Blicke oder schadenfreudigen Reaktionen in unserem Umfeld. Und auch vor uns selbst wollen wir uns lieber nicht die Blöße geben, etwas nicht zu können oder etwas nicht gut zu machen.
Unter Skatern gibt es so etwas nicht. Die beobachten sich durchaus gegenseitig kritisch. Aber da ist keiner, der schadenfreudig lacht, wenn einem ein Trick misslingt. Die Skater scheinen alle eins verinnerlicht zu haben: nur wer übt wird richtig gut. Und wer übt, der scheitert auch mal. Wer trotzdem so hartnäckig dranbleibt und weiter übt, der verdient Respekt für seinen Mut und seine Ausdauer.
Der Skater, den ich an dem Tag beobachtet habe, fühlte sich absolut wohl und sicher in seinem Umfeld. Er konnte sich ganz in Ruhe auf seine Übungen konzentrieren und musste sich keine Gedanken darüber machen, wie er wohl bei den anderen ankommt und was die vielleicht über ihn denken, wenn er nicht den perfekten Trick abliefert. Der Skatepark war sein „Safe Space“ in dem er unbeschwert Neues wagen und sich verbessern konnte.
Wenn Scheitern nicht peinlich ist, dann kann man viel mehr wagen. Und nur wer etwas wagt, kann sich entwickeln und gewinnen. Wir sehen immer nur den Erfolg der anderen. Aber wir vergessen dabei oft, wie viel Scheitern, Hinfallen, wieder Aufstehen, Verbessern noch mal Machen hinter diesen Erfolgen steckt.
Freudvolles Scheitern, Lernen und Entwickeln ist nur in einer psychologisch sicheren Umgebung möglich.
Würdest du dich trauen, in deinem Team eine Schwäche zuzugeben?
Wie steht es denn in deinem Team um die „psychologische Sicherheit“? Wie schmerzhaft wäre es für dich oder deine Mitarbeitenden, vor dem gesamten Team eine Schwäche zuzugeben? Oder zu wissen, dass das gesamte Team zuschaut, wenn dir gerade etwas misslingt?
So ein sicheres Umfeld entsteht nicht von heute auf morgen. Es erfordert Vertrauen, das erst wachsen muss. Aber wenn wir als Führungskräfte mit gutem Beispiel voran gehen und mit eigenen Schwächen und missglückten Versuchen offen umgehen, kann das den Prozess unheimlich beschleunigen.
Und noch etwas kann den Prozess unheimlich beschleunigen:
Learning #4: Mit Unterstützung lernt sich’s schneller
Im Skatepark kann man viel durch Beobachten und Ausprobieren lernen. Aber manchmal braucht man den einen entscheidenden Tipp, der alles so viel leichter macht und einen plötzlich auf ein ganz anderes Level bringt.
Ich finde es jedes Mal wieder toll anzuschauen, wenn im Skatepark die Großen die Kleinen unterstützen. Wenn die Erfahreneren den Anfängern Tipps geben und die richtig Guten sich gegenseitig nach Feedback und Technik-Finessen fragen. Alles mit der einen Intention: immer ein bisschen besser zu werden.
Im Business Alltag scheuen wir uns manchmal davor, Hilfe anzunehmen oder gar um Hilfe zu bitten. Denn wir glauben, dass das ein Zeichen von Schwäche ist. Und so machen wir oft einfach weiter wie bisher und kommen dabei nicht so richtig vom Fleck.
Wir sind auch häufig zögerlich wenn es darum geht, anderen Tipps zu geben. Entweder weil wir nicht als Besserwisser rüberkommen wollen. Oder weil wir vielleicht befürchten, dass die anderen dann ja besser werden als wir und uns das zum Nachteil werden könnte.
Dabei haben doch alle etwas davon, wenn das Niveau steigt – im Skatepark genauso wie im Business Alltag.
Es macht einfach mehr Spaß, wenn viele gute Skater im Skatepark unterwegs sind. Dann fährt mir nicht ständig jemand in die Bahn. Ich kann mich inspirieren lassen und mir immer wieder was Neues abschauen.
Und die Arbeit geht viel effektiver von der Hand und macht deutlich mehr Spaß, wenn ich mit richtig guten Kolleg*innen zusammen arbeite. In erfolgreichen Teams geben sich die Teammitglieder gegenseitig kritisches Feedback und inspirieren sich immer wieder zum Lernen und damit auch zu viel besseren Ergebnissen.
Wie viel Skatepark steckt in deinem Team?
Jetzt bin ich gespannt: wie viel Skatepark steckt denn schon in deinem Team? Und wo siehst du den größten Hebel, um eine bessere Fehlerkultur in deinem Team zu erreichen?
Ist es das klare, attraktive Ziel, für das sich alle gern ins Zeug legen? Oder die Grundeinstellung, mit der ihr in eurem Team an neue Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten herangeht?
Ist es das Vertrauen und das sichere Umfeld, das auch Raum zum Scheitern und Experimentieren bietet? Oder das gegenseitige Unterstützen, Feedback geben und um Unterstützung bitten?
Hinterlasse mir gern einen Kommentar, wie das in deinem Team aussieht.
Und wenn du jetzt schon weißt, dass in deinem Team an der ein oder anderen Stelle Handlungsbedarf besteht, und du das gerne anpacken möchtest: dann lass uns doch gemeinsam dran arbeiten! Hier kannst du dir jetzt gleich einen Termin für ein erstes Gespräch buchen.