“Wir können die Wellen der Veränderung nicht aufhalten, aber wir können lernen, auf ihnen zu surfen.” Dieses Zitat habe ich irgendwo aufgeschnappt. Ich finde das hört sich toll an. Und leicht, und sehr erstrebenswert.
Wenn ich mir das im Unternehmenskontext vorstelle, dann sehe ich Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern aufmunternd zurufen: “Hey – alles nicht so schlimm mit der Veränderung. Lasst uns einfach lernen, geschmeidig auf den Wellen der Veränderung zu surfen! Zusammen schaffen wir das. Und das wird ziemlich cool!”
So weit so gut. Der aufmunternde Zuruf oben könnte auch von mir stammen.
Ich bin ein optimistischer Mensch mit viel Energie und bin davon überzeugt, dass man fast alles schaffen kann, wenn man sich nur erst mal darauf einlässt und es ausprobiert. Und wenn mir jemand begegnet, der das so ganz anders sieht, und sich so gar nicht vom Fleck bewegen möchte, dann kann es schon mal vorkommen, dass ich mir denke: “Jetzt stell dich halt nicht so an!”
“Warum stellen die sich denn so an? Ist doch alles nicht so schlimm!”
Hast du als Führungskraft oder Kolleg*in auch schon einmal alles dran gesetzt, um Mitarbeitende von der Notwendigkeit einer Veränderung zu überzeugen und sie zum Mitmachen zu motivieren? Und zum Dank hast du Kritik und Widerstand geerntet? Das kann ziemlich anstrengend und frustrierend sein.
Aber manchmal vergessen wir als „ Change-Leader“ dabei vielleicht, wie es sich wirklich anfühlt, als Betroffene*r durch Veränderung zu gehen.
Vielleicht hilft mein kleiner Erfahrungsbericht vom Wellenreiten lernen ja dabei, um in der nächsten Veränderungssituation ein klein bisschen anders auf sich selbst und die Mitarbeitenden zu schauen…
Also los – auf den Wellen der Veränderung surfen!
Nachdem meine Söhne das Wellenreiten für sich entdeckt haben stand das auch in unserem vorletzten Urlaub auf dem Programm. Während ich anfangs hauptsächlich als “Surf-Mutti” meinen Jungs assistiert habe, wollte ich mich diesmal selbst ans Surfen heranwagen. Und so hab ich mir also auch Neoprenanzug und Brett ausgeliehen und erst mal die Trockenübungen am Strand absolviert: mit den Armen paddeln, dann die Beine sortieren, aufstehen – zack – die Arme in Position! Und surfen. Alles ganz easy. Also los – auf den Wellen der Veränderung surfen!
Lektion 1: Bevor man auf den Wellen surft, klatschen sie einem erst mal ins Gesicht
Nun ja. Dann kam die Ernüchterung. Bevor ich auf den Wellen der Veränderung surfen konnte, klatschen sie mir nämlich zunächst mal ins Gesicht. Ich musste mich erst mal durch die Brandung kämpfen. Und das war verdammt anstrengend: ich habe Salzwasser geschluckt, wurde öfter mal von den Wellen mitgerissen und untergetaucht, und für jeden Meter den ich mich vorgekämpft hatte wurde ich mit der nächsten Welle mindestens wieder einen halben Meter zurückgeworfen. Und ehrlich gesagt hatte ich auch gehörigen Respekt (um nicht zu sagen Angst) vor diesen kräftigen und ziemlich unerbittlichen Wellen, obwohl die vom Strand aus gesehen gar nicht soo groß waren…
In Veränderungsprozessen fühlt sich das oft ganz ähnlich an: man lässt sich darauf ein und ist guten Mutes, hat ein paar Trockenübungen gemacht und fühlt sich gut vorbereitet – aber dann kommt es erst mal ganz anders als erwartet. Und es kommen Dinge auf einen zu, von denen man vorher nichts wusste. Und meistens sind das keine angenehmen Dinge – sondern eher welche aus der Kategorie Salzwasser und Rückschläge. Das raubt Energie und kann sehr beängstigend sein. Wer mag es einem da verdenken, dass man in so einer Situation schlechte Laune kriegt, das ganze Projekt für eine Schnapsidee hält und auch mal ordentlich flucht oder schlichtweg keine Lust mehr hat?
Lektion 2: Dein Surfbrett kann dir nützlich sein – oder aber gewaltig im Weg.
Und dann hatte ich da auch noch dieses Brett mit einer Leine am Fuß festgebunden, das ich irgendwie mit durch die Brandung bringen musste. Ich dachte ja eigentlich, dass das Brett mich unterstützt. Aber ich habe schnell gemerkt, dass es auch eine zusätzliche Erschwernis sein kann, wenn ich es nicht richtig einsetze. Die Brandung zerrte das Brett immer wieder zurück ans Ufer und wenn ich es ungeschickt zwischen mich und die Welle hielt, dann kriegte ich es auch schon mal mit voller Wucht gegen die Rippen oder an den Kopf. Ich musste erst lernen, es so einzusetzen, dass es mir nützlich ist – und mich vor allem trauen. Aber dann war ich ziemlich beeindruckt, wie viel leichter ich damit durch die bedrohlichen Wellen kam.
Oft bekommen Mitarbeiter*innen in Veränderungsprozessen Handwerkszeug in Form von Trainings, Methoden oder neuen Prozessen mit auf den Weg. Aber neues Handwerkszeug in einer herausfordernden Situation richtig anzuwenden kann sehr schwierig sein. Da kann dann schon mal der Gedanke aufkommen, dass es ohne Surfbrett vielleicht viel leichter wäre durch die Brandung zu kommen oder dass das mit dem Surfen und dem Surfbrett überhaupt eine total bescheuerte Idee war. Es sei denn, man hat jemanden der einem genau in dieser Situation zeigt, wie man es so für sich nutzen kann, dass es hilfreich ist statt hinderlich.
Lektion 3: Es wird nie perfekt sein – aber jede kleine Verbesserung ist ein großer Erfolg!
Dann hatte ich es irgendwann endlich geschafft, und bin in den Bereich vorgedrungen, wo die Wellen langsam heranrollen. Dort konnte ich erst mal etwas durchschnaufen und Kräfte sammeln. Und dann musste ich mich trauen: die “perfekte” Welle aussuchen, Brett in Position bringen und schnell und kräftig lospaddeln! Um dann festzustellen – dass ich leider zu langsam war und die Welle verpasst habe. Oder viel zu schnell und hektisch beim Aufstehen war und das Gleichgewicht verloren habe. Oder aber, dass ich es zwar nicht mal geschafft habe das Knie nach vorne zu ziehen, aber dass ich zum ersten Mal gespürt habe, dass die Welle mich ein Stück weit trägt…
Wenn man etwas Neues lernt ist man meistens erst mal nicht besonders gut darin. Das kann frustrierend sein. Vor allem wenn rechts und links die coolen Surfer scheinbar mühelos über die Wellen gleiten. Man kann sich aber auch einfach über jeden kleinen Erfolg freuen und Spaß daran haben, dass man mit jedem Versuch ein kleines bisschen besser wird. Das gelingt dann besonders gut, wenn man für seine Fortschritte gelobt wird statt auf seine Defizite hingewiesen. Und wenn man Zeit und Raum bekommt, um in seinem eigenen Tempo zu lernen und einfach mal etwas ausprobieren kann.
Was können wir aus dieser Geschichte für unseren Arbeitsalltag lernen? Zunächst einmal sollten wir uns immer wieder bewusst machen, dass „auf den Wellen der Veränderung zu surfen“ nicht so einfach ist wie es sich anhört. Und vor allem hat dabei jeder sein eigenes Tempo und seine ganz persönlichen Herausforderungen. Es verdient schon eine Menge Anerkennung und Lob, wenn man sich mit Surfbrett und Neoprenanzug durch die Brandung kämpft, Salzwasser schluckt, Angst überwindet, Rückschläge in Kauf nimmt und dabei gelegentlich mal laut flucht.
Womit kämpfen deine Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen gerade am meisten?
Mit den Wellen, die ihnen unerwartet ins Gesicht klatschen? Oder dem Surfbrett, das gerade gar nicht hilfreich erscheint? Oder mit dem ersten Surfversuch, der nicht so glorreich war wie erhofft?
Und womit könntest Du deine Mitarbeiter*innen oder Kolleg*innen in dieser Situation am besten unterstützen? Die kleinen Erfolge und Fortschritte anerkennen und feiern? Individuelle Unterstützung bei der Anwendung des Handwerkszeugs bieten? Oder einfach nur zuhören und ernst gemeintes Verständnis für den Salzwasser-Frust zeigen?
Wenn du oder dein Team Unterstützung brauchen, um “geschmeidig auf den Wellen der Veränderung zu Surfen”, dann ist vielleicht eines meiner Angebote interessant für dich.